BIOGRAPHIE VON PAUL ERNST KAHLE

Paul Ernst Kahle war einer der zentralen Persönlichkeiten der Orientalistik des XX. Jahrhundert. Er wurde in Hohestein (Ostpreußen) im Jahr 1875 geboren und studierte Theologie und Orientalistik in Marburg und Halle.

Nach dem Doktortitel PhD und nachdem er weitere Forschungen über hebräische, samaritanische, arabische und syrische Manuskripte in Berlin, London, Oxford und Cambridge durchgeführt hatte, zog er im Jahr 1903 nach Kairo, wo er bis 1908 als Pastor und Direktor der Deutsche Evangelische Oberschule war.

Der Aufenthalt in Ägypten war für seine wissenschaftliche Bildung sehr wichtig, denn dort sammelte er eine Unzahl von Materialien – Manuskripte, Notizen, Fotografien- über verschiedene Argumente und insbesondere über das Schattentheater und Materialien, mit denen er die Studie vertiefte und die teilweise in den darauffolgenden Jahren veröffentlicht wurden. Während seines Aufenthalts in Ägypten unternahm er zahlreiche Reisen nach Palästina, wo er Studienmaterialien sammelte und vor allem über die heiligen Stätten des Islams, über den palästinischen Dialekt von Bīr Zēt und einige samaritanische Manuskripte.

Nachdem er nach Deutschland zurückgekehrt war, unterrichtete Kahle an der Universität in Halle (1909-1914) und erwarb im Jahr 1914 in Gießen den Titel ordentlicher Professor. Im Jahr 1917 heiratete er Marie Gisevius.

Im Jahr 1923 zog er nach Bonn, wo er dann zum Direktor für die orientalische Abteilung der Universität und Sekretär bei Deutsche Morgenländischen Gesellschaft (DMG) ernannt wurde.

Die tragischen Ereignisse der Nazi-Jahre hatten auch für Paul Kahle und seine Familie schlimme Auswirkungen. Im November 1938 nach der Kristallnacht, baten seine Ehefrau und der erste Sohn von Paul Kahle um Hilfe bei einem hebräischen Kaufmann in Bonn. Dies war der Beginn einer Verfolgungszeit und Einschüchterung und Paul Kahle verlor seine Arbeit an der Universität. Im Jahr 1939 flüchtete er nach England zu seiner Frau und seinen fünf Kindern (Wilhelm, Hans, Theodor, Paul Junior, Ernst).

In England beschäftigte sich Kahle mit dem Katalog der islamischen Manuskripte bei der Bibliothek von Chester Beatty. Im Jahr 1941 wurde er eingeladen, eine Konferenz an der British Academy zu halten und diese Unterrichtsstunden waren die Grundlage seines wichtigsten Werks über Geniza in Kairo.

Nur nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam er wieder in Besitz seiner eigenen Bibliothek und bekam darauffolgend den Titel emeritierter Professor an der Universität in Bonn. Er starb im Jahr 1964 in Düsseldorf.


Die Forschungsbereiche von Paul Kahle

Das in Turin aufbewahrte wissenschaftliche Archiv von Paul Kahle spiegelt die vielseitigen Interessen gegenüber der Sprachen und den orientalischen Kulturen wieder. Fast alle Bereiche, in denen er Studien durchgeführt und/oder Veröffentlichungen realisiert hatte, haben eine Spur im Archiv oder in der Bibliothek hinterlassen und das Archiv in Turin wurde so gestaltet, damit die Artikulierung dieser Nachforschungen respektiert wird: eine detaillierte Beschreibung der Dokumente ist bei der Einleitung der verschiedenen Serien auffindbar.

Eine der von Paul Kahle wichtigsten Arbeiten ist die hebräische Bibel, die auf historischen und traditionellen Grundlagen des Textes, der Sprache und der verschiedenen Ausgaben erkundet wurde. Zusammen mit Rudolf Kittel veröffentlichte er den Text und es entstand die sogenannte Version "Kittel-Kahle" der Biblia Hebraia Stuttartensia (hebräische Bibel, veröffentlicht von Deutsche Bibelgesellschaft in Stuttgart), die sich auf das Manuskript von Sankt Petersburg basiert (Leningradensis B19a). Er arbeitete am masoretischen Text der hebräischen Bibel und kümmerte sich um die Studie der masoretischen Schule und veröffentlichte die beiden berühmten Studien Masoreten des Ostens und Masoreten des Westens.

Eine der wichtigsten Veröffentlichungen von Paul Kahle ist The Cairo Geniza, das ein von der Kritik eschätztes Werk ist und sich zwei englischen (1947, 1959) und einer deutschen Ausgabe (1962) rühmt. Außerdem gibt es zahlreiche Studien über Paul Kahle mit Thema Vokalisierung, Akzentuierung und Zeichensetzung der hebräischen Manuskripte: viele davon konzentrieren sich auf Manuskripte mit babylonischer Zeichensetzung, aber es mangelt auch nicht an Arbeiten über die palästinensische Zeichensetzung. Zu nennen ist die Veröffentlichung des Aufsatzes The Mishna text in Babylonia, der in Zusammenarbeit mit Yehiel Weinberg verfasst wurde.

Die Studien von Paul Kahle konzentrierten sich auch auf die Septuaginta, auf Hexapla von Origenes, auf samaritanische Literatur mit besonderer Aufmerksamkeit auf die Studie des samaritanischen Pentateuchs, auf den relativen Targum und der samaritanischen Liturgie, sowie auf die Bruchstücke von Qumran und auf den Targum (es gibt viele Vermerke von Kahle über die Interpretationen der verschiedenen Targumim und insbesondere über Onkelos).

Bezüglich des islamischen Bereichs kümmerte sich Paul Kahle über verschiedene Forschungsargumente, die von der Studie über die Herkünfte der Geisteswissenschaft bis zur historischen und geographischen Herkunft reichen. Er beschränkte sich nicht nur auf Texte in arabischer Sprache, sondern studierte auch viele türkische und persische Materialien und besonders die Epoche der Nachantike (XII – XIX Jhd.).

Die Studien über die Geschichte des Schattentheaters und die Ausgabe des Werkes Ibn Dāniyāl repräsentieren heute noch den wichtigsten Beitrag von Kahle bei der Studie der arabischen Literatur. Im Laufe der Jahre veröffentlichte Kahle wichtige Artikel über die spezifischen Aspekte der Geschichte des Schattentheaters, über seine Verbreitung in der Epoche der Mamelucken in Ägypten, über die Figuren, über einige Persönlichkeiten und über die Sprache der Texte. Von großem

Interesse sind auch die Studien über die anonyme "Spiele" wie z.B. Li‘b al-Timsāḥ und Li‘b al-Manār.

Ein anderer wichtiger Forschungsbereich war die Geschichte. In Zusammenarbeit mit Muḥammad Muṣṭafā veröffentlichte Kahle drei Volumen einer der wichtigsten historischen Chroniken der Epoche der Mamelucken und zwar Kitāb Badā’i ‘ al-Zuhūr fī Waqā’i ʻ al-Duhūr von Ibn Iyās (Leipzig 1931, 1932, 1935). Mit dieser historischen Epoche sind auch die Studien über die Stadt Alexandria in Ägypten und über ihren Leuchtturm verbunden. Seine Artikel über Ǧāmi‘ al-tawāriḫ des persischen Historikers Rašīd al-Dīn wurden noch nicht veröffentlicht.

Die türkisch-osmanische Geographie war eine der bevorzugten Forschungsbereiche von Paul Kahle zu Beginn seiner Karriere. Besonders wichtig ist die Ausgabe von Kitāb-i Baḥriyye di Pīrī Re’īs (Bahrije. Das türkische Segelhandbuch für das Mittelländische Meer vom Jahre 1521, 1926) und die verschiedenen Arbeiten über seines Segelhandbuches (darunter erinnert man Die verschollene Columbuskarte von 1498 in einer türkischen Weltkarte von 1513, 1933). Auch sind die verschiedenen Studien über China und die chinesischen Porzellane von Werken der Historiker und arabische, persische und türkische Geographen damit verbunden.

Die Studien über die arabischen Dialekte und über die Folklore sind Ergebnisse einer bedeutsamen Nachforschung in Ägypten und in Palästina, die in den ersten Jahren seiner Karriere durchgeführt wurden. In Zusammenarbeit mit Hans Schmidt veröffentlichte Kahle eine Sammlung von Geschichten namens Volkserzählungen aus Palästina (2 Vol. 1918-1930), die im Dorf von Bīr Zēt gesammelt wurden. Wichtig sind die Artikel über die Kultur der Heiligen und über die Wallfahrtskirchen in Palästina (1910-1913), die Forschungen über das Ritual des Zar (1912) und über das Gejammer der Toten (1923) in Ägypten.

Bezüglich der koranischen Studien, die heute noch von Interesse sind, nennt man seinen Beitrag über die Sprache und die Leser des Korans und der entsprechenden Kapitel in The Cairo Geniza (Ausgabe 1947; 1959; 1962).

Paul Kahle interessierte sich auch nebensächlich für Mineralogie und studierte das Werk von al-Bīrūnī und Medizin und hat einige Aspekte des Werkes von Ibn Samağūn e Ibn Maymūn (Maimonide) analysiert.

Zum Abschluss darf man die lange und wichtige Katalogisierung der Manuskripte nicht vergessen, die nun in Chester Beatty Library in Dublin aufbewahrt sind.